26.02.2018

Daniel Neumann: "Es bleibt ein Balance-Akt"

In die großen Fußstapfen seines Vaters Moritz war Neumann, 44, gebürtiger Südhesse, vor einem Jahr getreten. Sein erklärtes Ziel: eine Öffnung der 630 Köpfe zählenden Gemeinde zum Rest der Stadtgesellschaft hin.

Treffen sich zwei Juden; der eine kommt gerade vom Vorstellungsgespräch beim Radio, ein arger Stotterer.

"Und - wie lief's?" fragt der Freund.

"Ga-gaaanz schle-eecht! A-a-ab-gelehnt!"

"Ja, und warum?"

"A-aa-alles Antisemiten!"

Das sind so die Witze, die Daniel Neumann mit breitem Lächeln erzählt, wenn man ihn nach Kostproben jüdischen Humors fragt. Scherze über Antisemitismus, das weiß er, kann sich nicht jeder Deutsche erlauben: "So was kann nach hinten losgehen." Neumann dürfte aber als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde über alle Zweifel erhaben sein. Der Witz, den er beim Gespräch in seinem Büro in der Synagoge erzählt, kommt nicht aus heiterem Himmel: Er ist ein Vorgeschmack auf die Scherze, die die Darmstädter bei den Jüdischen Kulturwochen ab August erwarten dürfen, neben Klezmer, Klassik und Literatur. Ein Ereignis, das beispielhaft ist für Neumanns Arbeit: "Ich will deutlich machen, dass sich jüdisches Leben nicht nur um Religion dreht", sagt er, "sondern viel mehr bedeutet." Dafür hat er in seinem ersten Dienstjahr einiges getan.

Guter Draht zum Obererbürgermeister

In die großen Fußstapfen seines Vaters Moritz war Neumann, 44, gebürtiger Südhesse, vor einem Jahr getreten. Sein erklärtes Ziel: eine Öffnung der 630 Köpfe zählenden Gemeinde zum Rest der Stadtgesellschaft hin. So hatte er es im Antrittsgespräch gegenüber dem Echo erklärt. Heute sagt er: "Es ist ein Balance-Akt, die Sorgen unserer Gemeindemitglieder aufgrund der angespannten Sicherheitssituation ernstzunehmen und trotzdem offen zu bleiben." Grund zur Sorge gibt es auch in Darmstadt mehr, als dem Vorsteher lieb ist.

Sicher: Als eloquenter Gastredner ist Neumann, gelernter Rechtsanwalt, in unterschiedlichen Kreisen gefragt. In der evangelischen Pauluskirche erläuterte er vor versammelter Gemeinde sein kritisches Luther-Bild. Beim Neujahrsempfang der SPD machte er deutlich, wie widerlich er das Verbrennen der israelischen Staatsflagge findet - dass man das aber juristisch nicht ahnden solle. Sondern aushalten, auch wenn's schwerfällt. Von der Darmstädter Politik fühlt er sich dabei verstanden und gut unterstützt. Allen voran von Oberbürgermeister Jochen Partsch.

Der OB besitze "eine klare Position zur Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus, er hat aber auch eine klare Haltung zur Politik Israels, die für einen grünen Oberbürgermeister eher ungewöhnlich ist". Andere Politiker sähen das nicht so differenziert, quer durch die Parteien. Doch bei allem Einvernehmen zwischen Politik und Jüdischer Gemeinde: Auch in Darmstadt schrillen immer wieder die Alarmglocken, wenn Anzeichen für Antisemitismus gesichtet werden. Es habe "die Gemeinde schon sehr beunruhigt", als im Januar bekannt wurde, dass iranische Agenten jüdische und israelische Einrichtungen und Personen ausgespäht haben - "auch in Darmstadt", sagt Neumann. Einige der Verdächtigen gelten als besonders gefährlich, da sie Mitglieder der berüchtigten Quds-Brigaden sind, die für Mordanschläge gegen Dissidenten und Regimekritiker verantwortlich gemacht werden. Aber auch kleinere Vorfälle schreckten die Gemeinde auf.

Den ausführlichen Artikel finden Sie auf den Seiten von Echo-Online.

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